Lageinvariante Klassifizierung von Zähnen

Quick Check

Ausgangssituation

Für dentale Prothesen stellt die VITA Zahnfabrik jährlich mehrere Millionen Konfektionszähne mit unterschiedlichen Zahngeometrien her. Prozessbedingt erfolgt die Fertigung der Zähne nicht sortenrein, sondern unterschiedliche Zahntypen werden vermischt. Nach der Herstellung liegen die Zähne als Schüttgut in Behältern vor, die viele unterschiedliche Zahngeometrien beinhalten. Für den Verkauf müssen die Zähne vereinzelt und entsprechend ihrer Geometrie sortenrein vorliegen. Sortiert wird bis heute manuell oder selten mithilfe eines klassischen Bildverarbeitungssystems. Letzteres ist jedoch nicht ausreichend zuverlässig und nur einsetzbar, wenn ausschließlich deutlich unterschiedliche Zahngeometrien vorliegen. Im Rahmen des Quick Checks sollte ein KI-basiertes optisches Erkennungssystem untersucht werden, um die unterschiedlichen, teilweise sehr ähnlichen Zähne automatisch und sehr genau zu sortieren.

 

Lösungsidee

Hierfür soll ein KI-basierter Ansatz genutzt werden. Anders als bei regelbasierten Bildverarbeitungsalgorithmen für die Klassifikation werden die Unterscheidungsmerkmale nicht manuell ausgewählt, sondern während des Modelltrainings automatisch gelernt. Der notwendige Trainingsdatensatz wird aufgebaut, indem Bilder der Zähne in unterschiedlichen Orientierungen aufgenommen werden. Hierfür werden Zähne eines bekannten Typs vereinzelt. Das trainierte KI-Modell wird im Anschluss genutzt, um unbekannte Zähne dem korrekten Geometrietyp zuzuordnen. Da die Zähne auch in unterschiedlichen Farbvarianten auftreten, werden die Bilder zunächst binarisiert. Somit unterscheidet das KI-Modell unabhängig von der Zahnfarbe und nur abhängig von der Geometrie des Zahns.

Schematische Darstellung der KI-basierten Sortierung.

Nutzen

Diese automatisierte Zahnklassifikation ergibt Vorteile, die sich positiv auf die Produktivität bei der VITA Zahnfabrik auswirken können. Zunächst reduzieren sich die Personalaufwände für das manuelle Sortieren der Zähne. Zudem fällt das zeitintensive Vorsortieren der Zähne weg, das für die vorhandene Sortieranlage erforderlich war. Dies spart Zeit und steigert die Effizienz, was wiederum dem Arbeitskräftemangel entgegenwirkt und die Produktion resilienter machen kann. Weiterhin steigert das Projekt die Sortiergenauigkeit und die Nachsortierung ist weniger aufwendig. Insgesamt kann das Projekt erheblich Kosten senken, was zur Standortsicherung des Unternehmens beiträgt.

 

Umsetzung der KI-Applikation

Für die KI-basierte Sortierung wurde ein Neuronales Netzwerk zur Objekterkennung eingesetzt. Durch die mechanische Zuführung des Sichtprüfaufbaus befindet sich jeweils nur ein Zahn im Sichtbereich der Kamera. Allerdings werden die Zähne nicht in eine definierte Lage gebracht, sondern können sich in einer beliebigen Objektlage befinden. Um dennoch ein robustes Sortiersystem zu implementieren, wurde zum einen ein automatisiertes System zur Datenaufnahme aufgebaut, bei dem die Zähne ohne manuelle Aufwände in unterschiedlichen Lagen aufgenommen werden können. Dadurch ergibt sich ein großer Trainingsdatensatz, der auch seltene Objektlagen repräsentiert. Zum anderen wurden die Bilder während des Trainings rotiert. Somit können Rotationen um die Z-Achse der Kamera automatisiert simuliert werden und das resultierende Netzwerk wird invariant gegenüber dieser Rotation der Zähne.

Im Quick Check wurden 28 unterschiedliche Zahngeometrien untersucht, die ein hohes Verwechslungspotenzial aufweisen. Diese Zahntypen können auf ungesehenen Testdaten zu 99,6 Prozent korrekt klassifiziert werden. Damit erfüllt die erzielte Sortiergenauigkeit deutlich die von VITA Zahnfabrik gestellten Anforderungen an ein automatisiertes Erkennungssystem für Zähne.

Partnerunternehmen

»Die erreichten Ergebnisse übertreffen unsere Erwartungen. Die kreative Herangehensweise an die sehr anspruchsvolle Aufgabe sowie die erarbeiteten Lösungen sind überzeugend. Wir befinden uns deshalb aktuell in Gesprächen über die Fortführung der Arbeiten und die Umsetzung in eine automatisierte Sortieranlage.«

- Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Rauh